Erle – der preisgünstige Pionierbaum und das Standbein von Venedig

Leicht zu bearbeiten, spannende Holzfehler und all das zu geringen Preisen. Erlenholz ist vielen unbekannt und steckt dabei voller Überraschungen.

Erlen zählen wie auch Birken zu den Pionierbaumarten. Diese Baumarten wachsen auch auf nährstoffarmen oder sumpfigen Böden sehr schnell und sind somit oft die Wegbereiter für neu entstehende Wälder.

Wer bereits das Vergnügen hatte den Spreewald zu erkunden, der wird in diesem sumpfigen Gebiet vor allem Erlen antreffen. Schnelles Wachstum und kein Problem mit nassen Füßen – diese beiden Eigenschaften sind prägend für das Holz.

In unserer Region wird überwiegend Schwarzerle verwendet, die sich von anderen Erlenarten optisch kaum nennenswert unterscheidet. Der Farbton erinnert mich immer etwas an Buche, hell mit einem kleinen Stich rosa. UV-Strahlung lässt das Holz im Laufe der Zeit eher rötlich/braun erscheinen.

Das von mir ausgesuchte Stück zeigt einen deutlich dunkleren Kern, da Erle allerdings zu den Splintholzbäumen zählt, handelt es sich um einen Falschkern. Es ist daher auch immer ein wenig Glück dabei, diesen Farbkontrast vorzufinden.

Mit Mühe zu erkennen: Markstrahlen/ Spiegel zeigen sich mit leichtem Glanz. Der graue/dunkelbraune Falschkern unterscheidet sich dagegen deutlich.
Nach dem Ölen zeigt sich bereits eine etwas dunklere Färbung, nach ein paar Monaten im Licht wird diese Tendenz verstärkt.
Diese kleinen braunen Punkte nennen sich falsche Markstrahlen oder auch Markflecken.

Markflecken finden sich vor allen bei der Erle und werden durch die Larven der Minierfliege verursacht. Diese kleinen braunen Striche können daher bei jedem Baum unterschiedlich häufig vorkommen.

Soviel nun zur Optik, widmen wir uns den inneren Werten.

Durch das schnelle Wachstum ist Erlenholz leicht und meist von geradem Faserverlauf gekennzeichnet. Die Bearbeitung mit Handwerkzeugen ist daher sehr angenehm, die glänzende Oberfläche auf den Fotos ist mühelos mit dem Handhobel entstanden.

Leicht und einfach zu bearbeiten – aber leider auch weich. Bereits etwas Druck mit dem Fingernagel hinterlässt deutlich Spuren. Auch hier sind wieder die Markflecken sichtbar.

Die empfindliche Oberfläche grenzt die Nutzungsmöglichkeiten etwas ein.

Stark beanspruchte Oberflächen wie Arbeitsplatten, Tische, Sitzbänke oder Stühle sollten aus anderem Holz gefertigt werden. Bei Tischplatten wäre alternativ noch eine Beschichtung mit bspw. Linoleum denkbar.

Große Möbel wie Anrichte, Regal oder Kleiderschrank punkten dagegen mit leichtem Gewicht und einem guten Preis – schnellwachsende Bäume sind auch meist günstige Bäume. Der Kubikmeterpreis netto bewegt sich aktuell bei circa 800-900€.

Etwas teurer kann es dagegen bei der Oberflächenbehandlung werden:
Als ich in meiner Lehrzeit zum ersten Mal mit Erle in Berührung kam, erlaubte sich der Altgeselle einen kleinen Spaß mit mir. Ich hatte gerade das Ölen mehrerer Quadratmeter an Regalböden (vermeintlich) abgeschlossen, da erklang ein liebliches “Wolltest du nicht die Regalböden Ölen?”.

Etwas verdutzt, aber schon einen Spruch auf den Lippen ging ich zu ihm und musste feststellen: Die frisch geölte Oberfläche war schon wieder fast trocken.

Trotz ihrer dichten, feinporigen Oberfläche saugt Erle Öl auf wie ein Schwamm.

Man sollte daher lieber einen zusätzlichen Auftrag einplanen.

Bereits einmal geölt, zeigt sich auch im zweiten Durchgang nach kurzer Zeit wieder eine trockene Stelle (linker Bildrand).

Widmen wir uns zuletzt noch den “nassen Füssen”:

Da die Erle weder Harz noch Gerbstoffe enthält, ist die Verwendung im Außenbereich leider nicht zu empfehlen.

Lediglich unter Wasser zeigt sie eine hohe Beständigkeit.

Wie es der Titel bereits vermuten lässt, wurde/wird die Erle daher im Pfahlbau eingesetzt und stützt so halb Venedig und Amsterdam (die Arbeit teilt sie sich mit der Eiche).

Ob diese Eigenschaft für kommende Möbel-Projekte eingesetzt werden kann, wage ich jedoch zu bezweifeln.

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