Eine von Stolz geprägte Odyssee mit der Küchenfront

Warum 60×60 nicht 60×80 ist

Bekannte von mir haben sich für eine neue Küchenfront entschieden: Multiplex mit Eiche furniert, geölt, unbekantet.
Die Maße wurden aus dem Katalog der bestehenden Küche übernommen, der schwedische Möbelhersteller bezeichnet sie mit „60×80“.
Der Holzhändler bietet einen passgenauen Zuschnitt an und eine Woche später werden die Fronten geliefert.
Alte Fronten demontieren, Bohrpunkte übertragen und die erste der neuen Fronten anschlagen – hach, genau so war es geplant. Voller Motivation wird die nächste Front montiert. 
So ganz passt das noch nicht, aber „das lässt sich hinterher noch einstellen“. Bei der dritten Front (die noch nicht so ganz passt) kamen dann doch erste Zweifel auf.
Das System wird zwar „60×80“ genannt, in der Regel beträgt die Korpusbreite allerdings schon 60cm, bzw. 600m. Dementsprechend ergibt sich keine Fuge. Das eigentliche Maß der Fronten beträgt daher 597mm x 797mm.
Die Moral von der Geschicht: Vertrau allein dem Produktnamen nicht, sondern sieh noch ein wenig genauer in die Beschreibung und messe was du messen kannst.

Vor allem bei großen Fronten wie Küchen ist ein gleichmäßiges Fugenbild wichtig.

Selber machen bis zum bitteren Ende

Frustriert über den Planungsfehler (mein Bekannter ist seines Zeichens Dipl. Ing.) gab es von seiner Freundin den Vorschlag, die Platten zurück zum Holzhändler zu bringen und für 60€ auf das korrekte Maß zu korrigieren, fielen
nun die magischen Worte der Heimwerkerzunft: „Das kann ich doch schnell selber machen!“
Es gibt nach der Aussprache dieser Worte nur drei mögliche Szenarien:

  1. Das Projekt erweist sich auf Grund diverser Hindernisse als unlösbar. Statt in die Rente wird fortan in den Werkzeugpark investiert, denn schließlich „könnte man das ja auch alles wie in der Tischlerei machen, wenn man nicht mit der Handkreissäge aus dem Mittelalter arbeiten müsste“. 
Nachdem man sich nun über drei Jahre die neue Werkstatt aufgebaut hat, verbringt man seine Zeit nun dort oder im Internet und sieht sich die Videos von Holzwerken in Dauerschleife an.
 Über die Küchenfronten wird seit dem Vorfall an Ostern nicht mehr gesprochen, der kleine Tobsuchtsanfall mit den Worten „ich bin so gut wie fertig, die Schrauben sind aktuell ausverkauft“ hat etwas Luft geschaffen.
  2. Das Projekt erweist sich auf Grund diverser Hindernisse als unlösbar und wird rechtzeitig in professionelle Hände gegeben.
  3. Das Projekt wird erfolgreich und zeitnah abgeschlossen ( bis auf ein paar Kleinigkeiten, aber die werden dann bei Gelegenheit noch erledigt).

In diesem Fall wurde der Mittelweg gewählt:
 Nachdem eine neue Tauchsäge das Licht der Werkstatt erblicken durfte und die ersten Schnitte vielversprechend verliefen, bot der Nachbar seine Hilfe und vor allem seine kleine Formatkreissäge an. Nachdem der Zuschnitt millimetergenau erfolgt war, konnten die Fronten wenige Tage später bereits wieder angeschlagen werden.
Leider wurde sich ein wenig zu sehr in den Millimetern verloren und die rechtwinkligkeit spielte eine eher untergeordnete Rolle.
Letztlich landeten die Fronten dann beim Tischler, das Fugenmaß ist nun ein wenig offenherziger und alle Beteiligten sind um folgende Erkenntnisse reicher:


„Zweimal messen, einmal sägen“: So überdrüssig man diesem Spruch auch sein mag, korrektes Messen/Planen ist der Grundstein für erfolgreiche Projekte.

„Nicht am falschen Ende sparen“: Eine Platte auf das korrekte Maß zu bringen ist eine nur vermeintlich einfache Aufgabe. Die leichtesten Abweichungen beim Schiebeschlitten der Formatkreissäge lassen auf einer Länge von 800mm (bzw. 797mm) den Schnitt schnell um einen Millimeter verlaufen. Auch bei der Arbeit mit der Tauchsäge kann das winkelgenaue Ausrichten herausfordernd sein. Neben einem passenden Anschlag für die Führungsschiene kann auch bspw. der TNT von Roland Heilmann https://www.holzwerken.net/produkt/holzwerken-89-november-dezember-2020/ eine Alternative sein. Wenn jedoch die Möglichkeit besteht für überschaubares Geld den Zuschnitt vom Holzhändler/Tischlerei übernehmen zu lassen, dann rate ich dazu. So liegt die Verantwortung für die Maßhaltigkeit auch nicht mehr bei dir, sondern beim entsprechenden Betrieb. Dabei bitte unbedingt vorher über die Toleranzen informieren.

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