Amerikanische Kopierhülsen (Teil 2)

Da nicht jede Oberfräse mit einem gut funktionierenden System und einem reichhaltigen Angebot an Kopierhülsen ausgestattet ist, haben findige Hersteller für Oberfräsenzubehör ein paar interessante markenunabhängige Kopierhülsensysteme entwickelt. Die universellen Systeme basieren fast alle auf einer Grundplatte, die mit ein paar Schrauben unter die Fräse montiert wird. Einige Grundplatten sind bereits für die meisten Markenfräsen vorgebohrt. Bei anderen Systemen müssen Sie selbst die zur Oberfräse passenden Löcher in die Platte bohren. In der Grundplatte befindet sich dann ein Aufnahmesystem für die eigentlichen Kopierhülsen. Bei den einfacheren Systemen wird die Hülse mit zwei Schrauben fixiert (z. B. Unibase der Fa. Trend). Aufwändigere Systeme, wie z. B. die TurnLock Grundplatte der Fa. Milescraft, verfügen über einen werkzeuglosen Einsatz der Kopierhülsen – beispielsweise durch Eindrehen bzw. Einklicken.

Nachteil all dieser Lösungen: Durch die Aufdopplung der Grundplatte verliert man immer etwas an Frästiefe!

Daher sollten Sie unbedingt mal einen Blick auf das besonders hochwertige und präzise Aufnahmesystem der kanadischen Fa. Leigh werfen (in Deutschland erhältlich über www.leigh.de). Dort finden Sie zu den bekanntesten Oberfräsenmodellen einen passenden Adaptereinsatz, in den man eine Kopierhülse mit Gewinde einstecken kann. Wie schon im letzten Blogbeitrag erwähnt, haben diese Hülsen ihren Ursprung in Nordamerika, daher gibt es sie auch in Europa meist nur in Zollabmessungen. Viele Zinkenfräsgeräte, die aus den USA oder Kanada (z. B: Leigh D4R) kommen, setzen aber genau diese Kopierhülsengrößen voraus. Insofern muss das nicht unbedingt ein Nachteil sein. Es gibt diese Hülsen aber auch seit einiger Zeit in metrischen Maßen – zu finden bei dem englischen Versender Axminster unter folgendem Link: https://www.axminster.co.uk/ujk-technology-metric-threaded-guidebush-set-502571

Bevor ich Ihnen nun zeige, wie man diese Gewinde-Kopierhülsen auf einer handgeführten Oberfräse einsetzt, möchte ich zunächst noch einmal kurz demonstrieren, wie schnell und präzise man ein geschweiftes Werkstück auch auf einem Frästisch mithilfe dieser Hülsen und einer Schablone herstellen kann.

Wenn Sie keine 1:1 Kopie benötigen, dann können Sie mit diesen Kopierhülsen auch auf dem Frästisch Bauteile nach Schablonen herstellen. Während Sie bei einem Bündigfräser zuerst die Kontur grob mit der Stich- oder Bandsäge vorsägen müssen, ist das bei einem stirnschneidenden Nutfräser nicht mehr nötig.

Das spart nicht nur Zeit, sondern, weil man aus „dem Vollen“ fräst, sind in der Regel auch weniger Ausrisse an der Fräskante zu befürchten. Also: Einfach 10er Nutfräser einspannen, 15,9 mm Hülse aufstecken, Schablone festschrauben und schon kann es losgehen.

Am besten lassen Sie die Schablonenkante seitlich (Pfeil) etwas über dem Werkstück vorstehen. Dann können Sie die Schablone an die Kopierhülse anlegen, ohne dass die Schneiden bereits die Werkstückkante berühren. Wichtig: Auf eine Bogenfräshaube als Abdeckung über dem Fräser, sollten Sie auf gar keinen Fall verzichten. So etwas kann man sich auch leicht selbst bauen (s. Handbuch Oberfräse S. 272 – 273).

Auf keinen Fall die Form in einem Arbeitsgang ausfräsen, sondern – wie üblich – in mehreren Fräsetappen zu je 6 mm Frästiefe. Der Fräser wird es Ihnen danken und letztlich wird auch die Fräsung an der Werkstückkante deutlich sauberer.

Ein weiterer Vorteil von Kopierhülse und einem stirnschneidenden Nutfräser ist, dass Sie damit auch problemlos bogenförmige Nuten herstellen können. Eine interessante Anwendung wäre beispielsweise das Einfräsen einer gebogenen Führungsnut in die Seitenwände eines Schranks, in dem dann ein Rolladen läuft.

Wenn Sie dann im letzten Frässchritt die gesamte Kontur quasi ausschneiden, fallen auch kleinere Abschnitte weg. Die können dabei vom Fräser zur Seite geschleudert werden. Daher ist es extrem wichtig, dass Sie hier immer einen Bogenfräsanschlag mit Schutzhaube einsetzen (Schutzhaube wurde hier nur zur besseren Sicht auf Fräser und Hülse abgenommen).

Die fertige Fräsung ist absolut perfekt und völlig ohne Ausrisse. Lediglich einen kleinen Versatz von der Schablonen- zur Werkstückkante müssen Sie in Kauf nehmen. Das Werkstück wird bei dieser Vorgehensweise immer ein klein wenig größer ausgefräst, als die Schablone. Bei einem 10er Nutfräser und einer 15,9 mm Kopierhülse beträgt der Versatz exakt 2,95 mm.

Die Rechnung dazu ist wirklich ganz einfach: Zuerst die Differenz zwischen Hülse und Fräser berechnen und zum Schluss dieses Ergebnis dann noch halbieren – also:

15,9 – 10 = 5,9 und 5,9 / 2 = 2,95

… und anschließend einfach den Adapter samt Kopierhülse aufklicken – fertig! Das geht natürlich nur mit Fräsern, die auch durch die Hülse passen.

Testen Sie auch vor dem Einschalten der Maschine, in welcher Tiefenstellung die Überwurfmutter innen gegen die Kopierhülse stößt und merken Sie sich diese Stellung. Bei meiner OF 1400 ließ sich der Fräskorb komplett absenken, ohne dass die Überwurfmutter Kontakt zur Kopierhülse hatte. Und das Beste: Die volle Schneidenlänge von 30 mm steht über der Hülse vor.Testen Sie auch vor dem Einschalten der Maschine, in welcher Tiefenstellung die Überwurfmutter innen gegen die Kopierhülse stößt und merken Sie sich diese Stellung. Bei meiner OF 1400 ließ sich der Fräskorb komplett absenken, ohne dass die Überwurfmutter Kontakt zur Kopierhülse hatte. Und das Beste: Die volle Schneidenlänge von 30 mm steht über der Hülse vor.

Die Vorrichtung aus meinem Handbuch Oberfräse, die ich Ihnen schon im letzten Blogbeitrag in Kombination mit einem Frästisch vorgestellt habe, können Sie auch problemlos mit der handgeführten Oberfräse benutzen. Und auch hier gilt: Sie müssen für die Schwalbenherstellung nicht zwingend den im Set enthaltenen Zinken- bzw. Gratfräser einsetzen. Denn wenn Sie wieder die 15,9 mm Kopierhülse in der Oberfräse einsetzen, können Sie auch einen ganz normalen Zinkenfräser mit 12,7 mm Durchmesser und 8º Schräge ohne Kugellager benutzen. Solche Zinkenfräser gibt es dann auch in 8 mm Schaft und einer sehr guten Qualität bei Leigh oder CMT (Bezugsquelle s. letzten Blogbeitrag). Sie müssen sich also weder eine zusätzliche Spannzange noch eine Reduzierhülse für den Einsatz der 6,35 mm (1/4 Zoll) Schaftfräser kaufen. Und ganz nebenbei, falls Sie es noch nicht wussten: Von Reduzierhülsen halte ich sowieso nicht viel 😉

Lediglich zum Ausfräsen der Zinken müssen Sie noch den Bündigfräser mit am Schaft laufendem Kugellager und 12,7 mm Durchmesser einsetzen. Den gibt es aber nicht nur mit 1/4 Zoll Schaft (rechter Fräser der Fa. Trend Art. Nr.: C121X1/4TC), sondern seit einiger Zeit auch mit 8 mm Schaft. Diese Fräser kommen von der Fa. ENT und haben folgende Art. Nr.: 11653 (mit 25 mm Schneidenlänge – Fräser mitte) und 11651 (mit 19 mm Schneidenlänge – Fräser links). Wenn Sie diese Artikelnummern zusammen mit „ENT Bündigfräser“ bei Google eingeben, finden Sie genügend Händler die diesen Fräser führen (ca. je 43 Euro).

So das war’s mal wieder für heute und ich hoffe ich konnte Sie für den Einsatz dieser tollen Gewinde-Kopierhülsen ein wenig begeistern. In zwei Wochen zeige ich Ihnen dann eine tolle Zwinge, die leider viel zu selten in der Holzwerkstatt zum Einsatz kommt.

Bis dahin wünsche ich Ihnen wieder allzeit unfallfreies Holzwerken.

Herzlichst, Ihr

Guido Henn

Wichtiger Hinweis zur Produktneutralität:Ich habe alle hier gezeigten Kopierhülsen regulär und zu den üblichen Konditionen im Handel gekauft. Sie wurden mir weder verbilligt noch kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich versichere Ihnen eine absolut neutrale Bewertung ohne jegliche Einflussnahme der Hersteller.

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Kommentare

Andreas Weppner 29.05.2019

So wird es Preiswert mit BOSCH und diesen Hülsen. Guido, danke für deinen Wertvollen Artikel. Habe mit vor kurzen eine defekte Bosch GKF 600 geleistet und generalüberholt. Fehlten noch die Kopierhülsen und das Schnellspannfutter von Bosch. Hier in Deutschland kostet das Schnellspannfutter über 20,00 € in den USA gibt es das als 8.Teiliges Set für 30,00 €. Mit dabei ist der Adapter für die Gewindehülsen, das Schnellspannfutter und 6 Zölligen Kopierhülsen. Da eine Kopierhülse von Bosch um die 18,00 € kostet, ich die Gebräuchlichen Hülsen in Zoll habe. Werde ich jetzt Wohl bei Axminster den Metrischen Satz Ordern. Leider fehlt die so oft geförderte 17mm Kopierhülse in diesem Satz. Noch eine Anmerkung zu den Zinkenfräsgeräten. Der Hinweise das die dort verwendeten Kopierhülsen zöllig sind dürftet Ihr (Heiko und du) gerne in eure Artikel einpflegen. Würde so manches erleichtern. Zoll bleibt Zoll und Metrisch eben Metrisch. Da kann das EU Wettbewerbsrecht fordern was es will. Alles gute. Andreas

Guido Henn 30.05.2019

Hallo Andreas, ich weiß aus sicherer Quelle, dass diese Jahr noch ein Hersteller metrischen Gewinde-Kopierhülsen in den Handel bringt und da ist dann auch eine 17er Hülse dabei - dafür habe ich gesorgt ;-) Ich werde darüber hier berichten, wenn es soweit ist. Beste Grüße Guido PS: In meinem Artikel hier steht explizit, dass viele Zinkenfräsgeräte aus Nordamerika eben genau diese Zollgrößen voraussetzen. Am besten immer vor dem Kauf der Vorrichtung nach den notwendigen Kopierhülsen schauen und ob das mit der eigenen OF zusammen passt.

Hermann Hinsken 23.07.2019

Hallo, Herr Henn, in diesem Blogbeitrag geben Sie für die Zinkenvorrichtung aus Ihrem Buch "Oberfräse" als Alternative die Verwendung von ENT-Nutfräsern mit 12,7 mm Kugellager am 8 mm Schaft an. Die vorhandenen Kugellager müssen also doch sicher noch gegen solche mit 15,88 mm getauscht werden. Für Ihren Multidübler zum Zinken erwähnen Sie bei Einsatz einer Kopierhülse auch die Verwendung derartiger Nutfräser ohne Kugellager. Das gilt anscheinend für die zuvor genannte Vorrichtung nicht. Ist dies zutreffend und wenn ja warum? Zusatzfrage: Die Kopierhülse mit 15,88 mm Außendurchmesser hat einen Innendurchmesser von etwas über 14 mm; d. h. es verbleibt ein Abstand von etwas über 0,9 mm des Fräsers zur Innenwand der Kopierhülse. Ist das noch auf der sicheren Seite? Sind beim Multidübler die Zinkenschablonen eigentlich aus 12 mm oder auch - wie bei der Vorrichtung Ihres Buches - aus 18 mm Multiplex?

Guido Henn 24.07.2019

Hallo Herr Hinsken, das 12,7 mm Kugellager des Bündigfräsers muss nur dann gegen das größere von 15,9 mm ausgetauscht werden, wenn Sie Fingerzinken herstellen möchten. Das gilt für alle Schablonen, die mit dem Dovetail Template Master hergestellt wurden: Also sowohl für den Multidübler, als auch die Vorrichtung aus meinem Buch! Denn beide Schablonen sind mithilfe des Dovetail Template Master gefertigt worden und beide sind auch aus 18er Multiplex. Alle Hinweise in den beiden Blogbeiträgen zu den Kopierhülsen- und Fräserkombinationen gelten also für beide Vorrichtungen! Möchten Sie beispielsweise die Zinken für eine offene Zinken/Schwalbenverbindung herstellen, benötigen Sie dazu einen Bündigfräser in 12,7 mm Durchmesser und mit 12,7 mm Kugellager. Sollen jedoch Fingerzinken hergestellt werden, muss das größere 15,9 mm Kugellager montiert werden, oder Sie setzen anstelle des Kugellagers eine Kopierhülse mit 15,9 mm ein. Und ja der Abstand zwischen Kopierhülse und Nutfräser beträgt dann nur noch knapp einen Millimeter. Das ist zwar sehr wenig, aber durchaus noch vertretbar. Optimal wären hier natürlich 1,5 bis 2 mm Abstand zur Hülse. Bei meinen Tests konnte ich aber keine Probleme feststellen, der 8er Schaft ist steif und stabil genug. Extrem wichtig ist allerdings, dass die Kopierhülse wirklich hundertprozentig mittig zur Fräserachse montiert wurde. Hier dürfen dann keinerlei Toleranzen sein. Im Zweifel besser den Bündigfräser mit einem größeren Kugellager bestücken. Beim ENT Bündigfräser mit 8er Schaft und 12,7 mm Durchmesser dürfte das aber problematisch sein. Ich weiß gar nicht, ob ENT für diesen Fräser ein größeres 15,9 mm Kugellager anbietet. Glaube eher nicht. Beste Grüße aus der Eifel Guido Henn

Hermann Hinsken 26.07.2019

Hallo Herr Henn, ich möchte mich ganz herzlich für Ihre ausführliche Antwort bedanken. Gestern habe ich bereits über die Fa. Sauter ein größeres Kugellager angefragt. Ich hoffe, ich habe Glück. Ich besitze einen Oberfräsentisch von Jessem, in den eine OF 1400 von Festool integriert ist. Hiermit dürfte eigentlich die Zentrierung der Kopierhülse unproblematisch sein. Trotzdem erscheinen mir die 0,9 mm Abstand Kopierhülse - Fräser bedenklich und die Lösung mittels Kugellager auf jeden Fall sicherer. Nochmals besten Dank und viele Grüße aus Wiesbaden Hermann Hinsken

Stefan Zisler 26.09.2019

Moin Herr Henn, Sie haben in einem der Kommentare geschrieben, "dass diese Jahr noch ein Hersteller metrischen Gewinde-Kopierhülsen in den Handel bringt". Gibt's hierzu neue Infos? Bei welchem Hersteller lohnt es sich zu kucken? Beste Grüße Stefan

Guido Henn 27.09.2019

Hallo Herr Zisler, in dem heutigen Blogbeitrag vom 27.09.19 gehe ich auf diese metrischen Kopierhülsen am Ende ein. Einfach mal heute um 9:00 Uhr in den Blog schauen. Beste Grüße Guido Henn

Guido Henn 10.09.2020

Das Kopierhülsen Set von Milescraft mit metrischen Maßen (inkl. der 17er Hülse) ist jetzt recht günstig in diesem Shop erhältlich: https://baier-werkzeuge.de/Schablonen-Zirkel-fuer-Oberfraese/Metall-Fuehrungshuelsen-Set-9-tlg-fuer-die-Oberfraese-65mm.html Beste Grüße Guido Henn

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