Die ersten Tage des neuen Jahres verbrachte ich an den weißen Hängen der Dolomiten, genauer gesagt: In Gröden. Die Gegend ist nicht nur von ihrer schönen Landschaft geprägt, sondern von etlichen kleinen Schnitzwerkstätten und ihren Kunstwerken. Wo wenn nicht hier könnte ich also meine ersten Erfahrungen im Umgang mit den gebogenen und sogar teilweise gekröpften „Stecheisen“ machen.
Das Schnitzwerkzeug
Schnitzwerkzeuge und Holzauswahl
Der Tischler in mir sagt noch Stecheisen, korrekterweise spricht man aber dann doch eher von Schnitzmessern, Schnitzbeiteln oder Schnitzeisen.
Neben der fehlenden Zwinge fällt vor allem die hohle Form auf. Diese wird als Stich bezeichnet:
Stich 1 entspricht dabei einer geraden Klinge und wird als Balleisen bezeichnet.
Stich 2-4 hat eine leichte Höhlung und wird Flacheisen genannt. Der Vorteil gegenüber Stich 1:
Die Flanken des Eisen kommen nicht mit dem Holz in Berührung und hinterlassen keine Ausbrüche im Holz.
Der Stich ist also der wesentliche Unterschied zum üblichen Stecheisen und hat mich an die Geometrie beim Hobel erinnert: Das stark gerundete Eisen des Schrupphobels hinterlässt ebenfalls keine seitlichen Ausrisse und ermöglicht zudem einen hohen Materialabtrag mit verhältnismäßig wenig Kraftaufwand. Beim Putzhobel werden gerne die Ecken leicht verrundet, damit die seitlichen Ausrisse vermieden werden.
Stich 2 ähnelt für mich ein wenig dem Doppelhobel: Sowohl für den Materialabtrag geeignet, mit etwas Feingefühl lassen sich aber auch schon gute Oberflächen erreichen. Wer mit dem Schnitzen beginnen möchte, hat mit einem Stich 2 schon eine Menge an Möglichkeiten.
Stich 5-8 nennt man Hohleisen und spätestens hier wird die zunehmende Höhlung deutlich. Vor allem für tiefe Aushöhlungen eignen sich Hohleisen hervorragend.
Stich 9-11 werden Bohrer genannt, da man mit ihnen auch tiefere und Konturen mit geringem Durchmesser ausarbeiten kann.
Fase und Schärfen
Ähnlich wie beim Stecheisen ist auch beim Schnitzeisen der Schnittwinkel abhängig von Weichholz und Hartholz.
Mit 25° liegt man hier mal wieder in der goldenen Mitte, bei härteren Hölzern kann man mit einem etwas stumpferen 30°-Winkel die Ausbruchgefahr verringern.
Zum Schärfen wird üblicherweise eine Schwabbelschweibe verwendet: Mit ihr lassen sich auch Eisen mit größerer Wölbung schnell und komfortabel abziehen.
Holzauswahl
In Südtirol durfte ich selbstverständlich mit der heimischen Zirbe arbeiten: Das weiche, wohlduftende Holz ist gut zu bearbeiten und ein scharfes Eisen gleitet dann wie das bekannte Messer durch warme Butter.
Das beliebteste Schnitzholz dürfte aber dennoch Lindenholz sein: Ebenfalls weich, jedoch mit wesentlich geringerem Astanteil und kurzfaserigem, homogeneren Holz. Durch die kurzen Fasern kommt es seltener zur Vorspaltung, die schwache Maserung lässt die Schnitzkonturen ohne Ablenkung herauskommen.
Im Außenbereich wird auf Grund der Witterungsbeständigkeit zwar auch Eiche verwendet, doch dazu braucht es dann auch eben mehr Kraftaufwand.
Schnitzen im Möbelbau
Das Schnitzen meiner kleinen Skulptur (falls Fragen aufkommen: Es soll mal ein Herz mit Pfeil werden) hat viel Freude bereitet. Man erlebt das Holz intensiv, vom groben Abtrag zum feinen Ausarbeiten bei ständiger Beobachtung des Faserverlaufs.
Für die Gestaltung meiner Möbel möchte ich zukünftig jedoch keine Löwenköpfe als Armlehnen oder Drachenschwänze als Stuhlbeine ausarbeiten. Wesentlich reizvoller könnte die Kerbschnitzerei werden:
Spätestens nach dem Treffen mit Jogge Sundqvist auf der Holzwerken-Live fasziniert mich diese simple Möglichkeit der Individualisierung ( näheres dazu findet sich in diesem neuen Buch von Jögge Sundqvist),
Mehr dazu dann bald in einem Holzwerken-Artikel und einem dunkeln, sehr dunklen, man könnte schon fast sagen schwarzen Möbelstück.
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