Heimwerken am Samstag – ein Wettlauf mit der Zeit

Am Wochenende bin ich in den fragwürdigen Genuss gekommen, meinen Schwager beim Bau eines Wandregals zu unterstützen.

Ein eigentlich simples Projekt: Beschichtetes Multiplex und Regalträger sollen ein offenes Regalsystem bilden. Praktischerweise lässt sich alles im Baumarkt beziehen. Bei den Multiplex-Preisen muss ich zwar kurz schlucken, aber in Ermangelung an Alternativen kaufen wir dort ein.

Ich bin den Kauf von Voll-/Halbformatplatten gewöhnt, doch ohne Werkstatt und mit einer Wohnung in der Innenstadt können wir diese Möglichkeit nicht nutzen. Für den Mehrpreis im Baumarkt wird uns allerdings auch die Möglichkeit geboten, die Platten direkt auf Maß zuschneiden zu lassen. Per Telefon bestellt, können wir die Ware bereits nach drei Stunden abholen (wohlgemerkt sogar am Samstag!).

Die Platten liegen bereits zur Abholung bereit, doch schon nach kurzer Sichtung müssen wir feststellen, dass die Kantenqualität doch sehr zu wünschen lässt und ein leichter Hauch an Brandspuren zu erkennen ist. Das Schärfen der Sägeblätter wird wohl nur einmal jährlich als Wunsch verpackt dem Weihnachtsmann überreicht.

Nach kurzer Diskussion und der Auskunft, dass ein erneuter Zuschnitt erst am Montag erfolgen könnte, machen wir uns zähneknirschend auf den Heimweg.

Nahaufnahme gesägte Kanten einer Multiplex-Platte mit Brandspuren Ärgerlich… weitere Kommentare diesbezüglich erspare ich mir.

Dieser Beitrag soll jetzt allerdings kein Wegweiser für den korrekten Umgang mit Angestellten im Baumarkt sein bzw. welche Rechte und Rückgabemöglichkeiten es bei Mängeln so gibt.

Das Projekt muss am Wochenende fertiggestellt werden, denn das alte Bücherregal wurde bereits abgeholt und als berufstätiger Vater ist die Freizeit meines Schwagers unter der Woche sehr begrenzt. Der Samstag ist daher der Tag des Heimwerkens und ein Scheitern des Projekts wird nicht akzeptiert. In diesem Sinne: Sanfter Vorschliff mit 80er Körnung wird das Problem schon lösen.

Hatte ich gesagt, es gäbe keine Werkstatt? Ich muss mich entschuldigen, im Keller der Altbauwohnung findet sich das Musterexemplar eines Hobbyraums inklusiver provisorischer „Werkstatt“ für das Heimwerken:

Gigantische 7qm, die lediglich mit der Weihnachtsdeko und ein paar Spielgeräten meines Neffen geteilt werden müssen. Eine Werkbank, zwei wackelige Böcke, etwas Licht und das Herzstück: Ein altes Radio. Aus den kleinen Boxen wummert “1Live”, ich fühle mich wieder wie 13, ehe mein Blick auf den Lichtschacht fällt: Es dämmert bereits!

Multiplex-Platten liegen auf Böcken im Keller-Hobbyraum Klein, düster und besser als nix!

Das Zeitfenster schließt sich und wirklich viel geschafft haben wir noch nicht. Mit chirurgischer Präzision schaffen wir es, die Platten über die schmale Treppe und engen Gänge unbeschadet in die Werkstatt zu tragen.

Die Kanten werden alle mit dem letztjährigen Weihnachtsgeschenk gefast. Meiner Empfehlung zu einer kleinen Fräse von Makita wurde Folge geleistet und so konnte diese Aufgabe fast schon mühelos erledigt werden. Wir mussten lediglich für die Dauer der nächsten 10 Minuten die Luft anhalten, da Licht, Kantenfräse und Staubsauger gleichzeitig leider ein wenig zu viel für den Stromkreislauf waren.

Ich höre schon die ersten Rufe “Da wäre ein Akkusystem doch wirklich mal vorteilhaft”, aber mein genervtes Einrollen der Kabeltrommel übertönt diese.

Hinaus aus dem Keller, vorbei an der Hausordnung, die unmissverständlich mitteilt: Bis 18:00 Uhr darf noch gebohrt werden, ansonsten droht der Ausschluss von zukünftigen Grillfesten.

Glücklicherweise befindet sich die Wohnung in der 1. Etage, beruflich muss ich ansonsten stets alles ins Dachgeschoss tragen.

Die nun folgenden Strapazen der bröckelnden Wände im Altbau, während mit zusammengebissenen Zähnen und der rauchenden Bohrmaschine gearbeitet wird, dürften uns allen bekannt sein. Das letzte Loch ist gebohrt, meine Schwester löst schon einmal vorsorglich den Bausparvertrag auf, um beim Auszug die Wand neu verputzen zu lassen und der nervöse Blick auf die Uhr verrät: 19:00 Uhr… “Naja, die Familie unter uns war den Sonntag vor 3 Monaten ja auch mal etwas lauter”.

Auftrag abgeschlossen, das Regal kann befüllt werden und alle sind glücklich. Abgesehen von meinem Schwager: Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass er unter der Woche als Architekt tätig ist und nun mit Kreuzlinienlaser, Maßband und Kopfschütteln feststellt, wie eine der Leisten auf 2m Länge um 0.5mm verläuft.

Mit einem Schmunzeln im Gesicht bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und gebe zu: Gutes Werkzeug und eine große Werkstatt sind zwar nicht alles, aber machen das Leben leider doch ein wenig einfacher. Die Leiden dieses Hobbys habe ich selten so intensiv erlebt, wie an diesem Tag. Lasst euch nicht entmutigen und seid stolz auf eure Leistungen.

Wohnzimmerregal gefüllt mit Büchern Das Resultat in einem etwas verstörend wirkendem Weitwinkel.

Fotos: Dominik Ricker

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