Wer 1999 einen Baumarkt besucht hat, war dort ebenfalls im letzten Jahrhundert unterwegs.
Der heutige Baumarkt vor den Toren Berlins in Marwitz/Brandenburg ist jedoch vor allem eine Sammlung an Kassetten-Türen, Kastenfenstern und Beschlägen um das Jahr 1900 (unter der Adresse www.historische-baustoffe.de finden sich übrigens deutschlandweite ähnliche Händler).
Seit 1990 werden hier Elemente aus den Sanierungen alter Berliner Stadtvillen gesammelt und verkauft.
Für mich ist dieser Ort ein Quell der Inspiration:
Gusseiserne Gestelle alter Maschinen, Steinarbeiten, Treppenkrümmlinge und alte Parkettböden schreien regelrecht nach Neuinterpretationen in Möbelform.
Accessoires wie alte Flaschen und Blechkisten würden sich gut neben meinen alten Hobeln machen, ein antiker Beistelltisch verleiht den modernen Architektenwohnungen mit homogener Farbgebung vielleicht ein wenig mehr Behaglichkeit.
Besonders interessant sind für mich Details der antiken Möbel.
In der Berufsschule wird eine strikte Zinkeneinteilung gelehrt, in Internetforen beruft man sich meist auf „den Spannnagel“, den man auch hier im HolzWerken-Buchprogramm bestellen kann. In der Ausbildung werden jegliche Abweichungen und Ungenauigkeiten gnadenlos zerrissen.
„Für sowas hätten sich die alten Meister geschämt“ hallt es mir noch durch den Kopf, während ich mit Spannung immer wieder Schubkästen herausziehe. Dabei wird schnell klar: Auch damals mussten die Menschen wirtschaftlich arbeiten.
Da wird zum Beispiel ein Seitenstück von über 10cm Breite mit zwei Schwalben eingeteilt, die aufwendige Anrichte aus Eichenholz gar „nur“ gefälzt und genagelt.
Mal ein wenig zu tief gesägt, mal ein wenig zu viel gehobelt – die Gesamterscheinung des Möbels trübt das nicht.
Dafür wurde man von aufwendigen Techniken abgelenkt, sei es gebogene Glasfüllungen, Furnierarbeiten, dreidimensionale Schubkastenfronten oder aufgesetzte Metallarbeiten.
In einer aktuellen Ausstellung des Handwerkers/Künstlers Ulrich Fries werden interessante Abwandlungen der bekannten Thonet-Bugholzmöbel gezeigt. Dabei fand sich auch dieser passende Flicken:
Ein Blick auf die Details soll aber nicht nur für eine entspanntere Zeit bei zukünftigen Handarbeiten darstellen, sondern auch Lösungen zeigen.
Holz mit gleichmäßiger Faserrichtung in eine stabile Ringform zu bringen, war zum Beispiel für das Steuerrad essenziell und dürfte damit auch erprobt sein.
Ob ein historische Bauhof, Trödelmarkt oder ein Besuch im Museum (bei dem leider nicht ganz so viel mit den Händen angesehen werden darf) bietet immer wieder die Möglichkeit für Inspiration und Lösungswege. Vor allem zu Beginn können technische Zeichnungen aus Büchern mehr verwirren als lehren. Querschnitte bei Stühlen, Dimensionen für Esstische und die Wirkung von (zu) großen Radien erfährt man am besten an einem fertigen Möbel. Auch ein Besuch der jährlichen Ausstellung von Gesellen- und Meisterstücken ist daher dringend zu empfehlen.
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Zwinge aus Holz Bild im Beitrag Lernen von alten Meistern. Mir scheint die Zwinge ist falsch zusammengesetzt, der Keil löst sich beim Anziehen des beweglichen Schenkels. Die bessere Haftung ist aber einfach durch Versuch zu ermitteln.