Antike Mogelpackungen mit Blindholz und Pinselschwung

Wir kennen diese Sprüche: “Hach, früher hatten Möbel noch Qualität”, “Da wurde nur das beste Holz verwendet” oder auch “So Mogelpackungen wie heute hätte es früher nicht gegeben, da war alles echt!”.

Die Wahrheit sieht jedoch ein wenig anders aus, denn auch vor Jahrhunderten musste man mit der Ressource Holz schonend umgehen.

Rahmen einer Sitzbank mit Webfaden Wer erkennt hier die Mogelpackung? Mehr dazu später…

Furnier ist die wahrscheinlich bekannteste “Mogelpackung”: Äußerlich für Laien nur schwer zu erkennen, wird nur eine dünne Schicht (der meist edlen Hölzer) auf einen Kern von preisgünstigen Hölzern geklebt. Dazu zählt meist schnellwachsendes, weiches Holz wie Fichte, Erle oder Pappel. Bei der Herstellung der Trägerplatte können auch schmale Reststücke verwendet werden, farbliche Unterschiede sind zu vernachlässigen, denn die verschwinden unter dem Furnier.

Eine furnierte Platte ist daher nicht nur günstiger als eine vergleichbare Menge Massivholz, sondern ist durch ihren Aufbau auch gesperrt. Das vereinfacht nicht nur die Möbelkonstruktion, sondern erlaubt auch Marketerie/Intarsien-Arbeiten. Zudem sind furnierte Tischlerplatten leichter als massive Platten aus tropischen Schwergewichten, die vor allem zur damaligen Zeit noch beliebter als heute waren. Ressourcenschonend, günstig, technische Vorteile, leicht – nicht schlecht für eine Mogelpackung.

Rückwände sind für die Funktion vieler Möbel essenziell: Sie stabilisieren den Korpus bei seitlichen Belastungen und sind gleichzeitig Staubschutz. Heutzutage werden bei Industriemöbeln meist HDF- oder dünne Spanplatten als Rückwand verwendet, in der Tischlerei edelfurniertes Sperrholz. Bei beiden Platten ist die Rückseite meist blind: HDF-Platten sind nur einseitig weiß lackiert, die Rückseite ist unbehandelt, bei den edelfurnierten Sperrhölzern ist nur einseitig das gewählte Holz furniert, der Gegenzug besteht aus willkürlichem Furnier.

Früher wurde für die Rückwand meist Nadelholz verwendet. Es erfüllt die Funktion, ist günstig, leicht und mit ein wenig Beize ist der optische Unterschied auch zu vernachlässigen. Beize wird heutzutage als meist gescheiterter Versuch angesehen, dem Stückchen Fichtenholz aus dem Baumarkt mit der Beize “007 Nussbaum dunkel” Eleganz einzuhauchen.

Auch bei antiken Möbeln wurde gerne mit Farbe nachgeholfen: Statt teurem Ebenholz, wurde schwarz gebeizter Birnbaum verwendet. Feinporig und ausreichend hart fiel dieser Bluff nur selten auf.

Doch Beize kann auch eher subtil eingesetzt werden: Wir wissen um die Einzigartigkeit von Holz und selbst innerhalb eines Stammes kommt es zu Farbänderungen. Mit Beize konnte/kann man diese Farbunterschiede angleichen und so für ein einheitliches Bild sorgen.

Wenn wir schon mal den Pinsel in der Hand haben, warum nicht gleich die Maserung imitieren: Mit der als “Bierlasur” bekannten Technik wurde aus der homogenen Fichtenplatte mit etwas Übung faszinierendes Wurzelholzfurnier. Heutzutage sind wir bedrucktes Papier als Bodenbelag schon gewohnt (gemeinhin als Laminatboden bekannt), doch auch bei Möbeldekor muss man des Öfteren zweimal hinsehen: Hier wird nicht nur der Faserverlauf imitiert, sogar die feinen Poren von Nussbaum oder die Struktur der blumigen Kiefer wird in Kunststoff nachgebildet.

Es wurde schon immer getrickst und das – meiner Meinung nach – an vielen Stellen auch sinnvoll. Lediglich das Imitieren von Oberflächen empfinde ich als ein wenig viel des Guten.

In der Holzwerken Ausgabe 101 habe ich übrigens auch ein wenig “gemogelt”: Die oberen Zargen der gewebten Sitzbank aus Ahorn bestehen aus Birkenholz. Bei ähnlicher Stabilität und Optik kostet Birke pro Kubikmeter nur die Hälfte. Das Webmuster verdeckt weitestgehend die Zargen und lässt daher wohl zu keinem Zeitpunkt den Verdacht aufkommen, dass hier ein wenig gespart wurde.

Foto: Dominik Ricker

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