“Gib mir mal bitte die Schmiege”, bat ich vor ein paar Jahren meinen Kollegen aus Dresden. Er drückte mir freudestrahlend einen Gliedermaßstab in die Hand. Nach einem kurzen Disput über die kognitiven Fähigkeiten des Gegenübers erfuhr ich, dass dies in Sachsen wohl eine gängige Bezeichnung für den Zollstock/Meter/Doppelmeter/Gliedermaßstab ist.
Neben der korrekten Bezeichnung bereitet die Schmiege auch bei ihren typischen Aufgaben Kopfzerbrechen: Ausgestellte Wangen/Tischbeine oder angepasste Lösungen in verwinkelten Nischen – wenn der rechte Winkel beiseite gelegt werden muss, dann wird es meist ein wenig komplizierter. Für das einmalige Abnehmen von Winkeln eignet sich in viele Fällen ein einfacher Selbstbau: Zwei an den Enden überlappende Leisten, fixiert mit einer Schraube – fertig ist die Winkelschmiege.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Schmiegen auf dem Markt. Drei Modelle aus meinem Bestand möchte ich heute vorstellen:
Nicht nur optisch unterscheiden sich die Schmiegen, auch der Preis fällt einem sofort ins Auge. Die Baumarktvariante ist für unter zehn Euro zu erstehen (plus einem Euro für das Schleifpapier, um das gute Stück von buntem Lack zu befreien), der Shinwa (das gleiche Funktionsprinzip findet sich übrigens auch bei Hultafors) für 25 Euro und für schlanke 180 Euro kann man den GM sein Eigen nennen. Zu Letzterem sei gesagt, dass er sich in verschiedenen Rasterpunkten arretieren lässt und beispielsweise bei 90° auch wirklich exakt 90° hat. Zudem verfügt er als einziger über eine Skala, die sowohl den Winkel als auch die Länge anzeigt.
Die nächste Besonderheit findet sich bei der Schmiege von Shinwa: Während die Zunge üblicherweise am Drehpunkt mit einer Flügelschraube arretiert wird, sitzt diese bei Shinwa am Ende des Schenkels. Auch wenn die Arretierung meiner Meinung nach ein wenig schwergängig ist, bietet diese Variante einen großen Vorteil: Die Schmiege kann beidseitig an- und aufgelegt werden.
Die günstige Baumarktvariante kann alles, was ich von einer Schmiege erwarte: Die Zunge kann arretiert werden. Mehr braucht es eigentlich nicht. Sowohl Zunge als auch Schenkel sollten eine gleichmäßige Breite haben, die Flügelmutter sollte die Einstellung sicher fixieren. Kein Werkzeug zum Angeben, sondern zum Arbeiten.
Das Modell von Shinwa erspart in der Praxis ein oft etwas nerviges Verstellen der Zunge, wenn der Winkel gedreht werden muss. Wer diesen Vorzug einmal erfahren hat, wird sich wohl nur schwerlich umgewöhnen wollen. Die Verarbeitung ist für den akzeptablen Preis sehr gut.
Der Multiwinkel von GM überzeugt mit vielen Funktionen, hoher Präzision und sehr guter Verarbeitung. Die integrierte Gradanzeige macht die Arbeit bei verwinkelten Werkstücken angenehmer. In der Praxis sind bei kleineren Bauteilen die große Zunge und der große Schenkel etwas hinderlich, bei größeren Objekten dagegen umso nützlicher. Durch das hohe Gewicht und die Größe ist er ein wenig unhandlich. Eine abgespeckte Version ohne Arretierung, dafür aber auch mit Gradskala, findet sich bei Ulmia.
Fotos: Dominik Ricker
Kommentar verfassen
Zum Kommentieren müssen Sie angemeldet sein.