Seife statt Wachs und Öl? Oberflächenbehandlung mit Seife

Wer auf den letzten Drücker den Kulissenauszug vom Meisterstück noch gängig machen muss, der greift zur Seife. Aber ein ganzes Möbelstück damit zu behandeln klingt ungewöhnlich – dabei haben gelaugte Fussböden eine lange Tradition.

Bei einer Präsentation neuer Gesellenstücke fiel mir das Sideboard aus Esche auf, das ein Freund von mir gebaut hat. Die Esche war ungewöhnlich hell, fast so, als wäre sie nicht geölt worden. Ich wurde aufgefordert über die Oberfläche zu streichen und während ich noch dachte „was soll daran so besonders sein“ folgte schon der Ausruf „das ist ja ganz weich“. Das war mein erster Kontakt mit geseiften Oberflächen.
Holz mit Seife zu behandeln ist vor allem im skandinavischen Raum verbreitet.
Durch die Lauge werden die Farbtöne im Holz im wahrsten Sinne ausgelaugt.
So konnte man die überwiegend hellen heimischen Nadelhölzer vor dem Gelbstich bewahren.
Oft wird diese Art der Oberflächenbehandlung auch als das „Wachs für arme Leute“ betitelt.
Die Herstellung ist wirklich simpel:
Man benötigt lediglich ein Stück unparfürmierte Seife, ohne Mandelextrakte, ohne Anti-aging-Mittelchen. Glücklicherweise exakt die Seife, die ganz unten im Regal liegt und pro Stück weniger als ein Euro kostet.

Raspel / Messer, ein Auffangbehälter und 1-2 Stück Seife. Mehr braucht es nicht.
Je feiner die Seife geraspelt/geschnitten wird, desto einfacher löst sie sich im Wasser. Diese Menge stammt von einem Stück Seife.
Die Seifenflocken in ein Glas geben und mit kochendem Wasser auffüllen und verrühren.
Nach dem Erkalten hat die Seife eine wachsähnliche Konsistenz und kann mit dem Lappen aufgetragen werden.
Ein Experiment mit Eiche: Hier entzieht die Lauge (links) nach mehreren Wochen Auftrag dem Holz die Gerbsäure und entfärbt es zu einem leicht gräulichen Ton.

(Küchenutensilien bitte nach Gebrauch ausgiebig reinigen, sonst schmeckt der geriebene Pecorino möglicherweise etwas eigenartig.)
Klingt simpel, ist es auch.
Die Viskosität lässt sich über die zugegebene Wassermenge regulieren.
Ich nutze meist ein Verhältnis von 1:2 (Seife : Wasser). Das ergibt die gezeigte wachsartige Konsistenz.
Der Auftrag erfolgt wie gewohnt mit einem Baumwoll- oder Leinentuch. Durch den Wasseranteil stellen sich allerdings die Fasern auf. Ein leichter Zwischenschliff mit 320er Schleifpapier egalisiert die Oberfläche und ein zweiter/dritter Auftrag kann erfolgen.
Da Seife aus pflanzlichen Ölen hergestellt wird, kann man sich die Oberfläche wie eine Art Pflanzenwachs vorstellen. Allerdings ist diese Art der Oberflächenbehandlung nicht sonderlich resistent gegenüber Feuchtigkeit und mechanischer Belastung.
Daher wurden Böden früher auch wöchentlich neu geseift, um eine neue Schutzschicht zu erhalten. Stark beanspruchte Oberflächen wie Tischplatten sollten daher nicht geseift werden.
Ich verwende es gerne bei gepolsterten Sitzbänken/Stühlen im Innenbereich, Garderoben oder Bilderrahmen. Die Seife feuert die Oberfläche kaum an und hinterlässt einen ganz leichten, seidigen Glanz. Für die meisten Anwendungen wird es leider keinen Ersatz für Wachsmischungen oder Öl darstellen. Aber zumindest einmal diese „weiche Oberfläche“ zu erfahren, ist den kleinen Aufwand wert.

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