Immer nur nach Lehrbuch arbeiten, wo bleibt da schon die Kreativität? So schlimm ist das doch gar nicht mit dem arbeitenden Holz, alles nur Ammenmärchen aus Urgroßvaters Zeiten?
Ohne Zarge, Langlöcher, Verleimregel, dafür mit Stahl, Markröhre und Baumkante begutachten wir das Sinnbild für werkstoffmissachtendes Arbeiten.
Modernes Untergestell aus Stahl, dazu eine Massivholzplatte mit Baum-/Waldkante (Die Wissenschaft und das Internet streiten über die korrekte Formulierung, daher die gemeinsame Erwähnung) und dann auch noch aus teurem Eichenholz. Ein wahrgewordener Traum all jener, die “Industrial-Design” tagtäglich in die Suchleiste ihres Browsers tippen.
Für uns Holzbegeisterte, die werkstoffgerecht und bewusst planen und arbeiten, dürfte es sich dagegen eher um einen wahrgewordenen Alptraum handeln.
Um diesen Beitrag aber mindestens genauso lehrreich wie reißerisch werden zu lassen, möchte ich auf die konstruktiven/gestalterischen Fehler etwas genauer eingehen:
Das V-förmige Untergestell minimiert die Sitzmöglichkeiten an den Stirnseiten. Zudem wird ein unnötig hoher Hebel erzeugt: Auch wenn es nicht dem eigentlichen Nutzen entspricht, werden Möbel immer wieder zweckentfremdet. Man lehnt/sitzt an der Tischkante oder klettert vielleicht auch mal auf den Tisch, um BG-gerecht die Glühbirne zu wechseln. Was Kindern für abenteuerliche Ideen kommen, mag man sich kaum vorstellen. All diese Kräfte werden nun von ein paar Schweißnähten gehalten – und 5 mm Flachstahl.
Das dünne Stück Stahl funktioniert nicht als Flächensicherung und dem Holz muss quer zur Faser die Möglichkeit gegeben werden zu arbeiten.
Als Faustregel: Wenn sich die Flächensicherung (z.B. Gratleiste) für einen Tisch bereits mit der Hand verbiegen lässt, taugt es nichts. Bei Holz wird die dreifache Materialstärke empfohlen, bei Stahl ist laut meiner Erfahrung bei Vierkantstahl mindestens die anderthalbfache Materialstärke im Bezug zur Tischplattenstärke zu wählen (Abweichungen je nach Wandstärke und Breite).
Die Verleimregeln “Kern an Kern, Splint an Splint” und “gestürzt Verleimen” werden in der industriellen Sortierung oft ein wenig stiefmütterlich gehandhabt, daher kann ich auch hier darüber hinwegsehen. Den Kern mit Markröhre zu verarbeiten ist dagegen äußerst fragwürdig.
Man mag darin den Gedanken der Nachhaltigkeit sehen, wenn alles vom Holz verarbeitet wird. Die Markröhre oder die brüchige Baumkante/Splint zu verarbeiten ist aus meiner Sicht aber eher eine Sollbruchstelle. So gefährdet man das gesamte Möbelstück und macht damit den Gedanken der Nachhaltigkeit obsolet.
Daher muss man an manchen Stellen leider ein wenig mehr Holz wegschneiden, als einem vielleicht zunächst lieb ist.
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