Bohren mit der Oberfräse

Bohren mit der Oberfräse

Wer kennt das nicht? Da hat man sich ein teures Set aus mehreren Forstner- oder Kunstbohrern gekauft, aber genau der Durchmesser, den man jetzt dringend für ein Projekt braucht, der ist – wie könnte es anders sein – natürlich nicht dabei. Genau hier kommt nun die Oberfräse ins Spiel – nicht zusammen mit einer Zirkeleinrichtung, sondern in Kombination mit Kopierhülsen und Nutfräsern. Denn mit nur zwei Kopierhülsendurchmessern, vier unterschiedlichen Nutfräsern und einer einfachen Lochschablone können Sie bereits alle Bohrungen und Sacklöcher in Millimeterstufen von 11 bis 44 mm auf den Zehntelmillimeter genau herstellen. Und wie das genau funktioniert, zeige ich Ihnen heute Schritt für Schritt in diesem Blogbeitrag.

Eine einfache Lochschablone sowie ein paar unterschiedlich große Kopierhülsen und Nutfräser, mehr braucht es nicht, um präzise Durchgangs – und Sacklöcher in nahezu jedem Durchmesser herzustellen.

 

Die Herstellung der Lochschablone

Zur Herstellung der Lochschablone benötigen Sie neben einem Satz Forstnerbohrer (hier im Bild HW-Kunstbohrer) eine etwa 200 mm breite und 600 mm lange Multiplexplatte (mindestens 9 und maximal 12 mm dick). Die genaue Plattengröße richtet sich maßgeblich nach der Anzahl der Bohrungen in der Schablonenplatte. Zeichnen Sie sich vor dem Bohren unbedingt die Mitte aller Bohrungen auf die Platte. Das ist wichtig, damit Sie später den Bohrmittelpunkt in die Kanten der Bohrungen verlängern können. Denn genau diese vier Striche benötigen Sie zum Ausrichten der Schablone auf dem Werkstück. Bohren Sie dann ein 20er, 25er, 30er und 35er Loch in die Multiplexplatte. Wenn Sie noch weitere Forstnerbohrer-Größen besitzen, dann bohren Sie vom anderen Plattenende aus noch drei weitere Bohrungen von 40, 45 und 50 mm Durchmesser in die Platte. Wie schon gesagt: Wenn Sie weniger Löcher bohren, dann kann die Platte auch kleiner sein. Wichtig ist nur, dass noch genügend Platz für mindestens zwei Zwingen bleibt, ohne dass die Oberfräse später dagegen stoßen kann.

Das Anwendungsprinzip – in vier Schritten zur gewünschten Bohrung

Um die passende Kombination aus Schablonenbohrung, Kopierhülse und Nutfräser zu ermitteln, gehen Sie wie folgt vor (hier am Beispiel eines 17 mm großen Sacklochs):

Schritt 1: Gewünschter Bohrdurchmesser = 17 mm

Schritt 2: Dazu muss in der Schablone eine um mindestens 5 mm größere Bohrung gewählt werden = 25 mm Bohrung

Schritt 3: Jetzt wird die Differenz zwischen Schritt 1 (17 mm) und 2 (25 mm) ermittelt = 8 mm

Schritt 4: Die Differenz von 8 mm wird erreicht mit einer 20er Hülse + 12er Nutfräser (20 – 12 = 8)

Hinweis: Alternativ dazu würde z. B. auch eine 24er Hülse und ein 16er Nutfräser (24 – 16 = 8) funktionieren.

1. Wenn Sie Kopierhülsen mit einem Einschraubgewinde benutzen möchten (s. meinen Blogbeitrag hier), dann benötigen Sie passend zur Oberfräse auch eine Adapteraufnahme. In die können Sie dann die gewünschte Kopierhülsengröße (hier 20 mm) einstecken und von der Rückseite mit dem Gewindering sichern. Danach spannen Sie dann noch den 12 mm Nutfräser ein und schon haben Sie die geforderte Differenz von 8 mm zwischen Hülse und Nutfräser.

2. Hier mal ein Blick auf die 25er-Schablonenbohrung zusammen mit der 20er Hülse und dem 12er Nutfräser. Man sieht sehr schön, dass die 20er Hülse in der 25er Bohrung exakt 5 mm Luft hat – also nur um maximal 5 mm in der Bohrung bewegt werden kann. Damit kann der 12er Nutfräser auch nur um diese 5 mm bewegt werden und somit auch nur eine maximal 17 mm große Bohrung erzeugen. Also genau das, was gewünscht ist.

3. Nach all der Rechnerei geht es nun darum, die Bohrschablone mit der 25er-Bohrung exakt auf dem Werkstück auszurichten. Dazu markieren Sie sich zuerst auf dem Werkstück den gewünschten Bohrmittelpunkt mit einem Winkelkreuz.

4. Dieses Winkelkreuz richten Sie dann exakt auf die vier Winkelstriche in der Kante der 25er-Schablonenbohrung aus. Jede Schablonenbohrung muss mit solchen präzisen Winkelstrichen versehen werden, sonst ist kein exaktes Ausrichten der Schablone möglich.

5. Ist alles korrekt ausgerichtet, wird die Schablone in dieser Position mit zwei Zwingen auf dem Werkstück fixiert.

6. Dann stellen Sie die gewünschte Bohrtiefe über den Revolveranschlag ein. Denken Sie daran, nicht zu viel Material in einem Arbeitsgang auszufräsen, sondern je nach Bohrtiefe besser in zwei oder sogar drei Fräsetappen von je maximal 6 mm schrittweise das Sackloch herauszufräsen.

7. Ganz wichtig: Die Absaugung durch den Kopierring funktioniert nicht immer zufriedenstellend. Achten Sie daher unbedingt darauf, dass sich zwischen der Schablone und der Kopierhülse weder Staub noch Späne ansammeln. Am besten saugen Sie die Späne zum Schluss aus der Schablonenbohrung heraus und fräsen dann noch mal die Bohrung kurz nach. Erst dann sollten Sie die Schablone wieder von dem Werkstück lösen.

8. Die 17-mm-Bohrung ist bis auf 0,05 mm absolut perfekt geworden und die 17er Kopierhülse (rechts im Bild) passt ohne Wackler – also spielfrei – in die Bohrung.

 

Diese Technik ist auch für Topfscharniere geeignet

Wenn Sie keinen teuren 35-mm-Beschlagbohrer für die Oberfräse kaufen möchten, dann können Sie die 35-mm-Sacklöcher für ein Topfscharnier auch mit der Oberfräse ausfräsen. Alles was Sie dazu benötigen ist eine Schablone mit 40er Bohrungen (s. dazu mein Handbuch Oberfräse S. 165), eine 17er-Kopierhülse und einen 12er-Nutfräser.

Die Differenz zwischen Hülse und Nutfräser beträgt exakt 5 mm. Zieht man nun diese 5 mm von der 40er Schablonenbohrung ab, ergibt sich das spätere 35 mm Sackloch für das Topfscharnier. Und wie man sieht – es passt perfekt! Diese Methode ist vor allem bei sehr dünnen Türen von Vorteil, weil ein Forstnerbohrer immer eine mehr oder weniger lange Zentrierspitze besitzt, die dann im schlimmsten Fall die Türfront durchbohrt.

Auch größere Bohrungen (hier z. B. 43 mm) sind kein Problem!

Wieder Rechnung in vier Schritten:

1. Gewünschte Bohrung = 43 mm

2. Schablone muss eine um mindestens 5 mm größere Bohrung haben = 50 mm

3. Differenz zwischen Schritt 1 (43 mm) und 2 (50 mm) = 7 mm

4. Die Differenz von 7 mm wird erreicht durch eine 17er Hülse und einen 10er Nutfräser (17 – 10 = 7).

 Alternativ dazu würde aber auch eine 27er Hülse mit einem 20er Nutfräser funktionieren (27 – 20 = 7).

Auch diese Bohrung unbedingt in mehreren Etappen von jeweils 6 mm Frästiefe herausarbeiten. Das schont Maschine und Fräser. Schön zu erkennen ist hier auch der Versatz zwischen Schablonenbohrung und Werkstückbohrung. Der beträgt übrigens immer die Hälfte der Differenz zwischen Hülse und Fräser – also bei 7 mm durch 2 = 3,5 mm Versatz ringsum.

Eine perfekt zum 43-mm-Eurohals des Fräsmotors passende Bohrung. Die wenigsten werden sich extra dafür einen teuren 43-mm-Forstner- bzw. Kunstbohrer anschaffen, den man dann nur ein bis zweimal im Holzwerkerleben braucht. Dagegen können Kopierhülsen, Nutfräser und die gängigsten Forstnerbohrer immer wieder bei den verschiedensten Projekten sinnvoll eingesetzt werden. Also eine durchaus lohnende Investition!

Und hier noch mal alles auf einen Blick!

Mit einer Lochschablone mit Bohrungen von 20, 25, 30, 35, 40, 45, und 50 mm;

einer 17er und einer 20er Kopierhülse;

sowie den vier Nutfräsergrößen 8, 10, 12 und 14 mm;

können auf diese Weise alle gewünschten Bohrungen von 11 bis 44 mm (in Millimeterstufen) hergestellt werden

Die dazu nötige Kombination aus Hülse und Nutfräser entnehmen Sie einfach folgender Tabelle:

Diff 5:  17er Hülse + 12er Nutfräser

Diff 6:  20er Hülse + 14er Nutfräser

Diff 7:  17er Hülse + 10er Nutfräser

Diff 8:  20er Hülse + 12er Nutfräser

Diff 9:  17er Hülse + 8er Nutfräser

Beispielrechnung: Mit der 30er Bohrung in der Lochschablone und der Diff 9-Kombi (17er Hülse und 8er Nutfräser) kann eine 21 mm Bohrung hergestellt werden. Für eine 22 mm Bohrung wäre dann bei der 30er Schablonenbohrung Diff 8 nötig – also 20er Hülse und 12er Nutfräser.

Gerade diese beiden Kopierhülsen von 17 und 20 mm sollten Sie sich in jedem Fall für ihre Oberfräse zulegen. Denn genau dieser „ungerade“ Abstand von 3 mm macht es erst möglich, dass Sie diese gängigen Nutfräser mit „geraden“ Maßen einsetzen können.

So das war’s mal wieder für heute. In zwei Wochen zeige ich Ihnen dann eine tolle Erweiterung für die Werkbank Spanner aus dem vorherigen Blogbeitrag.

Bis dahin wünsche ich Ihnen wieder allzeit unfallfreies Holzwerken.

Herzlichst, Ihr

Guido Henn

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Kommentare

Dominic Wimschneider 11.10.2019

Wunderbar auf den Punkt gebracht!

ThG 11.10.2019

Super Idee

Sam Trinczek 11.10.2019

Eine Super Idee!!! Vielen Dank für die Info.

Guido Henn 13.10.2019

Besten Dank an alle für die positiven Rückmeldungen, freut mich, dass euch der Tipp gefällt. Gruß Guido

Michael Krause 18.10.2019

Ich glaube man muss Kopierhülse und Fräser sehr sorgfältig zentrieren. Bei meiner Oberfräse ist das nicht automatisch der Fall, hat aber ein Zentrierhilfe / Dorn dabei.

Andreas Pilich 18.10.2019

einfach perfekt! Danke!

Mathias Boss 20.10.2019

Klar und einfach erklärt, wie gewohnt, vielen Dank.

Bernd Brehmke 04.12.2019

Hi, ich möchte mir eine solche Schablone erstellen, frage mich aber grade, wie ich die Striche an den Wänden der Bohrungen bei den unterschiedlichen Durchmessern exakt rechtwinklig anzeichnen kann, damit das Zentrieren/Ausrichten der Schablone auf dem Kreuz für die Bohrung auch korrekt funktioniert. Freihändig scheint mir dafür nicht die erste Wahl zu sein.

Guido Henn 05.12.2019

Hallo Herr Brehmke, ich habe dazu einen Miniwinkel benutzt, den man auch sehr gut zum Zinken anzeichnen oder bei kleinen Werkstücken einsetzen kann. Und zwar genau diesen hier für knapp 10 Euro: https://www.dictum.com/de/winkel-baie/japanischer-mini-anschlagwinkel-45-mm-707274 Viel Erfolg beim Bau und beste Grüße aus der Eifel Guido Henn

Bernd Brehmke 07.12.2019

Hallo Herr Henn, vielen Dank für diesen Tipp! Während der Bestellung ist es natürlich mal wieder nicht nur bei einem Teil geblieben... Herzliche Grüße Bernd Brehmke

Guido Henn 07.12.2019

Hallo Herr Brehmke, das kenne ich, passiert mir - trotz guter Vorsätze - auch immer wieder ;-) Viel Spaß mit dem Winkel und beste Grüße Guido

Philipp Weigert 18.02.2020

Guten Tag Herr Henn, vielen Dank für diesen erhellenden Beitrag. Nur eine Detailfrage, weil ich mir unsicher bin: meinen Sie mit 17er Hülse den Innen- oder den Außendurchmesser des Kopierrings? vielen Dank und Grüße Philipp Weigert

Guido Henn 19.02.2020

Hallo Herr Weigert, ja mit 17er Hülse ist der Außendurchmesser gemeint. Bei einer Kopierhülse ist nur und ausschließlich der Außendurchmesser entscheidend für das Fräsergebnis. Der Innendurchmesser ist zwar auch manchmal mit angegeben, aber der ist nur relevant, um zu wissen welchen Fräser (abzgl. ausreichend Luft zur Hülseninnenkante - ringsum etwa 2 mm) man noch innerhalb der Hülse nutzen kann. Beste Grüße Guido

Guido Henn 10.09.2020

Das Kopierhülsen Set von Milescraft mit metrischen Maßen (inkl. der 17er Hülse) ist jetzt recht günstig in diesem Shop erhältlich: https://baier-werkzeuge.de/Schablonen-Zirkel-fuer-Oberfraese/Metall-Fuehrungshuelsen-Set-9-tlg-fuer-die-Oberfraese-65mm.html Beste Grüße Guido Henn

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