In diesem Sommer werde ich zum zweiten Mal Großvater und das ist mal wieder einer der schönsten Momente, um sich in die Holzwerkstatt zurück zu ziehen. Einige kennen vielleicht noch den Wickeltisch für meinen ersten Enkel aus der HolzWerken Ausgabe 73 (ab Seite 14). Diesmal soll es eine deutlich einfachere Version werden und die zeige ich Ihnen heute Schritt-für-Schritt in diesem und dem nächsten Blogbeitrag.
Den Stauraum bildet hierbei eine bestehende Kommode mit drei Schubladen aus einem schwedischen Möbelhaus. Zu dieser Kommode gibt es im Netz auch bereits zahlreiche Beispiele für einen Wickelaufsatz – also quasi eine Erhöhung der oberen Kommodenplatte. Das ist durchaus praktikabel und letztlich natürlich auch etwas kostengünstiger, als mein unten gezeigter Entwurf. Aber optisch können mich diese „Stapellösungen“ irgendwie nicht überzeugen. Und seien wir mal ehrlich: Wenn wir schon viel Zeit und Leidenschaft in den Bau eines Möbelstück stecken, dann kommt es doch nicht auf ein paar Euro Mehrkosten beim Material an – oder?
Aber nicht nur optisch kann die unten gezeigte Variante überzeugen, sondern auch funktionell. Denn im Gegensatz zu einem Wickelaufsatz, kann ein solcher Wickeltisch auch als eigenständige Lösung ohne Kommode genutzt werden. So kann man z. B. den recht leichten und kompakten Wickeltisch auch mal schnell (ohne Kommode) vom Kinderzimmer ins Elternschlafzimmer transportieren. Außerdem muss ein eigenständiger Wickeltisch auch nicht fest mit der Kommode verbunden (meist verschraubt) werden, so dass diese später auch keine Löcher oder ähnliches aufweist. Und wem diese Vorteile noch nicht ausreichen, der freut sich sicher zu hören, dass der Nachbau wirklich sehr einfach ist und ganz sicher auch einem Anfänger gelingt (s. Bildfolge unten). Und mal ganz unter uns: Mit einem solchen Projekt – wenn es Ihnen dann gelungen ist – sind sie gleich mal der „King“ in der Familie und können sich über jede Menge Folgeaufträge „freuen“.
Ein bisschen habe ich aber dann doch gespart und zwar bei der Holzauswahl. Zum Bau habe ich nämlich das günstige Fichte-Leimholz in 27/28 mm Holzstärke eingesetzt. Das ist vom Farbton her nicht ganz so gelblich, wie das teurere Kiefer-Leimholz. Beide Holzarten gibt es in Folie verpackt in Baumärkten meist nur bis 60 cm Breite. Diese Breite reicht jedoch für die Seitenwände und die Tischplatte nicht aus, so dass man in diesem Fall noch einen schmalen Streifen anleimen muss (s. Schritt 1 und 2). Manche Baumärkte bieten aber auch einen Zuschnitt der Leimholzplatten aus großformatigen Platten (250 x 121 oder sogar 500 x 121 cm) an. Das wäre dann mit Sicherheit die bequemste Art diesen Wickeltisch nachzubauen, weil Sie sich nicht nur das Verleimen, sondern auch den Zuschnitt ersparen.
Die Wickelauflage sollten Sie am besten vor dem Bau kaufen, damit Sie die obere Trennwand exakt danach positionieren können. Sie sollte möglichst stramm zwischen Außen- und Trennwand sitzen und nicht hin und her rutschen können. Die hier verwendete Wickelauflage hat eine Breite von 60 cm und eine Tiefe von 70 cm.
Die Ikea-Kommode Malm passt mit insgesamt etwa 5 mm Luft (links/rechts je 2,5 mm) perfekt zwischen die Seitenwände. Die Position der Kommode unterhalb des Wickeltisches kann man dabei frei wählen. Beispielsweise – wie hier zu sehen – mit nur geringem Rücksprung zu den Seitenkanten …
… oder auch weiter zurück springend für mehr Beinfreiheit. Der Wickeltisch kann aber auch ganz ohne die Malm-Kommode benutzt werden und macht auch solo eine gute Figur (s. dazu das Bild am Ende des Artikels). Selbstverständlich lassen sich die Maße des Wickeltisches auch ganz einfach auf andere Möbelkommoden abändern.
1. Wenn Sie im Baumarkt keine 80 cm breiten Leimholzplatten finden, dann können Sie die beiden Seitenwände und die Tischplatte auch aus zwei schmaleren Brettern verleimen. Damit die beiden Platten beim Verleimen nicht verrutschen und genau auf einer Ebene liegen, sollten Sie in die Leimfuge unbedingt ein paar Flachdübel einfräsen.
2. Wichtig: Setzen Sie die Zwingen immer wechselseitig – also einmal von der Plattenunterseite und einmal von der Oberseite an, sonst wird die Leimfuge nicht dicht und die Platten nicht eben. Zusätzlich können Sie – falls nötig – auch noch zwei sauber ausgehobelte Kanthölzer quer über die Plattenfläche legen und festspannen. Damit das Kantholz nicht festklebt, die Kante mit Paketklebeband versehen. Auf keinen Fall Zeitungspapier zwischenlegen, sonst zeichnet sich später die Druckerschwärze auf den Plattenflächen ab!
3. Den Breitenzuschnitt von Seitenwänden und Tischplatte können Sie anschließend problemlos mit einer Tauchsäge samt Führungsschiene erledigen. Dazu spannen Sie die Seitenwand auf dem Werkstisch fest und richten die Führungsschiene einfach mit dem Meterstab parallel zur Längskante aus.
4. Bis auf einen halben Millimeter genau können Sie auf diese Weise die Führungsschiene ausrichten und das reicht bei dieser Wickeltisch-Konstruktion völlig aus. Wichtig: Auf keinen Fall vergessen die Führungsschiene mit den Spezialzwingen auf dem Werkstück festzuspannen.
5. Ist der Breitenzuschnitt erledigt, geht es mit dem Ablängen weiter. Auf dieser kleinen Multiwerkbank (Bauplan s. HolzWerken Ausgabe 79) können Sie beliebig lange Bretter und Platten bis zu einer Breite von 79 cm absolut rechtwinklig und wiederholgenau ablängen. Die wichtigsten Hilfsmittel für derart präzise und ausrissfreie Schnitte sind – neben einer Tauchsäge – erstens die klappbare Führungsschiene und zweitens der verschiebbare Anschlagreiter.
6. Sind alle Bauteile fix und fertig zugeschnitten, werden sie im nächsten Schritt mit Flachdübeln verbunden. Um die Schlitze für die Tischplatte in die Seitenwände zu fräsen, fixieren Sie einfach die schmale Trennwand (Pos. 4) auf der Innenfläche der Seitenwand und nutzen ihn als Anlagekante für die Maschine. Wenn Sie (noch) keine Flachdübelfräse besitzen, dann können Sie natürlich auch einfache Runddübel einsetzen.
7. Das gleiche machen Sie auch mit der unteren Querstrebe (Pos. 3), die zwischen den Seitenwänden platziert ist. Spannen Sie auch die in der passenden Position auf die Seitenwand und fräsen Sie zuerst die beiden Schlitze in die Innenfläche der Seitenwand …
8. … und erst danach legen Sie die Maschine flach auf und fräsen die passenden Gegenschlitze in die Querstrebe. Es gibt keine andere Methode mit der Sie schneller und einfacher Bauteile miteinander verbinden können, als mit Flachdübeln. Deshalb finden Sie auch in meinem „Handbuch Elektrowerkzeuge“ ein umfangreiches Kapitel (samt Video!), das sich ausschließlich mit den vielfältigen Möglichkeiten einer Flachdübelmaschine beschäftigt.
9. Die oberen und vorderen Eckkanten der beiden Seitenwände und der schmalen Trennwand, werden mit einem Radius von 50 mm großzügig gerundet. Dazu sägen Sie zuerst die Kontur so präzise wie möglich mit der Stichsäge vor und raspeln, feilen und schleifen anschließend bei Bedarf die Kontur noch etwas nach. Wer einen Bandschleifer mit Winkelanschlag hat, kann auch den sehr gut zum Kantenschleifen einsetzen (s. Video zum Bandschleifer bei HolzWerken TV).
10. Danach folgt das obligatorische Abrunden aller scharfen Holzkanten mit der Oberfräse und einem Abrundfräser (optimal sind Radien zwischen 6 und 8 mm). Größer sollte der Radius nicht sein, da auch die Bauteile mit jeweils maximal 10 mm Rücksprung auf diese Radiengrößen abgestimmt sind. Wenn Ihnen gerundete Kanten nicht so gut gefallen, dann können Sie als Alternative natürlich auch einen 45º-Fasefräser mit Kugellager einsetzen.
11. Sind alle Kanten und Flächen gut geschliffen worden (bis etwa Korn 240 oder 280 reicht völlig), können Sie auch schon mit dem Verleimen beginnen. Wie immer sollten Sie zuerst einen Trockenversuch ohne Leim starten und die Passgenauigkeit der Flachdübelschlitze überprüfen.
12. Legen Sie dazu eine Seitenwand flach auf zwei Kanthölzer auf (die Zwingen sollten drunter passen!) und stecken Sie zuerst (unter Leimzugabe!) die Tischplatte und die Querstrebe auf die Seitenwand. Ganz zum Schluss dann noch die andere Seitenwand auflegen und alles mit ausreichend Zwingen fixieren.
13. Erst nach zwei Stunden sollten Sie die Zwingen wieder lösen und die oberen Trennwände aufleimen. Wichtig: Geben Sie nicht zu viel Leim in die Flachdübelschlitze, sonst quillt ihnen die ganze „Suppe“ auf die sauber geschliffene Tischfläche und das lässt sich dann nur sehr mühsam wieder entfernen.
14. Bei der hinteren, kurzen Trennwand habe ich den Flachdübelschlitz nach unten hin offen erweitert, so dass ich die Trennwand jetzt problemlos von oben in die Flachdübel einschieben kann.
15. Auch hier wieder mit ausreichend Zwingen für den notwendigen Pressdruck auf alle Bauteile sorgen. Damit die lange Trennwand auch in der Mitte mit genügend Pressdruck auf die Tischplatte versorgt wird, nutze ich eine ausreichend lange etwa 60 mm hohe Leiste als Zulage.
16. Unter dieser Leiste befindet sich noch ein kurzes etwa 5 mm dickes Druckstück. Damit erzeugen Sie punktuell in der Mitte ausreichend Druck, damit die Trennwand auch schön dicht auf der Tischfläche aufsitzt.
Der Wickeltisch kann auch ohne Kommode eingesetzt werden. Dabei ist er extrem stabil konstruiert und dürfte – im Gegensatz zu vielen Spanplatten-Möbeln – problemlos ein paar Generationen überdauern. Auch dieser Gedanke, dass ein selbst gebautes Möbelstück innerhalb der Familie oder Verwandtschaft wertgeschätzt und weiterverwendet wird, motiviert beim Bau solcher Möbel ungemein. Ich bin sicher, das geht vielen anderen Holzwerkern genauso wie mir.
Wie Sie schon in den Bauschritten sehen konnten, ist die Konstruktion wirklich sehr einfach gehalten: Er stellt weder an den Holzwerker noch an den Maschinenpark allzu große Ansprüche. Kurzum: Ein sehr schönes Einstiegsprojekt im Möbelbau mit „Gelinggarantie“
So das war’s mal wieder für heute mit dem ersten Teil zum Wickeltisch. In zwei Wochen zeige ich Ihnen dann, wie einfach es ist (nur mit Pinsel und den richtigen Schleifmitteln) den Wickeltisch mit einer extrem widerstandsfähigen und spiegelglatten Oberfläche zu versehen. Außerdem gibt es dann auch eine detaillierte Zeichnung und Materialliste, so dass einem erfolgreichen Nachbau dann nichts mehr im Wege steht.
Bis dahin wünsche ich Ihnen wieder allzeit unfallfreies Holzwerken.
Herzlichst, Ihr
Guido Henn
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