Viele gute Handwerker verstehen nicht, was sie machen, obwohl sie es gut machen. Interview mit Richard Raffan

Anlässlich der Veröffentlichung von Drechseln – Maschinen, Werkzeuge, Techniken  in unserer Reihe Werkstattwissen hatten wir Gelegenheit, dem Autor Richard Raffan ein paar Fragen zu stellen.

 

Hi Richard, wir haben dein Buch Turning in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Danke, dass du uns für deine deutschen Leser einige Fragen beantworten willst.

Auf deiner Website habe ich gelesen, dass du bereits eine Berufslaufbahn als Weinhändler hinter dir hattest, als du 1970 als 27-Jähriger beschlossen hast, hauptberuflich Drechsler zu werden. Noch erstaunlicher erscheint, dass du vorher nie  gedrechselt hast! Du hast dir also eine Tätigkeit als Beruf ausgesucht, von der du damals überhaupt keine Ahnung hattest?

Richard Raffan: Ja, das ist richtig. Ich entschied mich, Berufsdrechsler zu werden, als ich von dem Handwerk praktisch nichts wusste außer, dass gedrechselte Objekte rund sind und die Werkzeuge lange Griffe haben. Ende der 60er Jahre war ich Gebietsleiter für etwa ein Dutzend Wein- und Spirituosenläden. Es gab nicht so viel zu tun und irgendwann lief es nicht mehr so gut. Ich habe mir dann überlegt, dass neue Technologien in Zukunft wohl viele Jobs überflüssig machen würden und ich besser dastehen würde, wenn ich etwas mit meinen Händen machen würde. Ich erwog Töpfern, Möbelbau und Klempnerei bis meine Schwester Drechseln vorschlug. Ich entschied mich sofort dafür und war mit Feuer und Flamme in meinem Element.

Ich hospitierte vier Monate in der kleinen Werkstatt von Rendle Crang – gegen Bezahlung! In dieser Zeit habe ich ihm nur über die Schulter gesehen. Dann musste ich etwas Geld verdienen, also machte ich mich selbständig. Und das war der Zeitpunkt, an dem ich wirklich zu lernen begann. Ich war langsam, weil ich erst herausfinden musste, warum die Werkzeuge das Holz nicht richtig schnitten, warum einige Hölzer sich schlechter als andere drechseln ließen. Doch nach und nach bekam ich ein besseres Verständnis, wie die Werkzeuge arbeiten, wie die meisten Lernenden. Viele gute Handwerker verstehen nicht, was sie machen, obwohl sie es gut machen.

In den ersten drei Jahren verdiente ich fast kein Geld. Aber glücklicherweise war ich alleinstehend, besaß ein Haus und alles, was man zum täglichen Leben braucht. Ich hatte meine finanziellen Verhältnisse in Ordnung gebracht, solange ich gut bezahlt in London lebte und konnte daher sehr kostengünstig leben, während ich mein Handwerk lernte. Das dauerte die üblichen 10 Jahre.

Wie konntest du dann im Lauf der Zeit davon leben? Hast du wie so viele andere damit begonnen, Schalen auf Kunsthandwerkermärkten zu verkaufen?

Ich habe alles verkauft, was ich auf der Drechselbank produzierte. Das war zunächst nicht sehr viel, in den ersten zwei Jahren habe ich 90 % weniger verdient als in meinem vorigen Job. Aber dann wurde ich ein besserer Drechsler und das Einkommen stieg. 1971 wurde ich das erste Mal zu einer Ausstellung eingeladen, aber der Durchbruch war, dass ich 1973 als einziger Drechsler an der Ausstellung The Craftsmans Art ("Handwerker-Kunst") im Viktoria and Albert Museum teilnehmen durfte. Das führte dazu, dass ich über Galerien in London und Südengland sowie über David Mellors Küchen-Shops verkaufte. David Mellor war der führende Einzelhändler für handgemachtes Kunsthandwerk in Großbritannien. Die Betonung liegt hier auf "verkaufen". Es gab keine Kommissionsgeschäfte, es wurde alles am Ende des Monats bezahlt. Das findet heute so in Amerika und Australien kaum noch statt.

In den 70er Jahren gab es kaum Drechsler und kaum Galerien für Kunsthandwerk und es wurde allgemein erwartet, dass man einen Katalog hatte. Souvenir und Geschenke-Läden bestellten dann daraus.

Weil es so wenig Drechsler gab, konkurrierte ich hauptsächlich mit Töpfern und hatte daher meinen Teil des Marktes für mich allein. In der Handwerksszene kannten mich alle und manche Leute schienen mehr über meine Arbeiten zu wissen als ich. Ich war bekannt für meine Salatschüsseln, dekorative Schalen, Schachteln und meine Schöpfkellen.

Machst du heute noch Sachen zum Verkaufen?

Ich mache seit Jahren schon keine Drechselarbeiten zum Verkaufen mehr. Aber ich habe das Problem, die Dinge, die ich bei Kursen und Vorführungen mache, loswerden zu müssen. Die verkaufe ich jetzt über eine Touristengalerie in Australien.

Ab 1985, nach meinem ersten Buch, trug das Unterrichten einen großen Teil zu meinem Einkommen bei. Es gibt nur wenig Nachfrage nach Kursen hier in Australien, daher unterrichte ich meistens in Nordamerika und Kanada, gelegentlich in Großbritannien. Aber ich fahre diese Aktivitäten zurück, ich werde im Juni 70 und will noch andere Dinge tun, solange ich noch dazu in der Lage bin.

Ich weiß nicht, wo die Zeit bleibt, aber am Bücherschreiben liegt es nicht. Das sind ein paar Monate intensiver und konzentrierter Arbeit und das war es dann. Ich schreibe auch regelmäßig für mehrere Drechselmagazine. Aber jetzt ist mein Plan, einen Roman zu schreiben. Ich habe schon ein paar Erzählungen in Arbeit. Mal sehen.

Was ich gern in meinem Leben wieder aufnehmen würde, ist das Malen. Das Unterrichten kam immer dazwischen. Aber jetzt habe ich bis Mai nächsten Jahres keine Kurse. Wir besitzen ein Ferienhäuschen an der Küste, dort habe ich zwei Kanus und ein 5m-Segelschiff, sehr traditionell und aus Holz. Und selbstgebaut – mit etwas Hilfe.

Was würdest du Drechselanfängern raten, worauf sollten sie sich am Anfang konzentrieren?

Anfänger müssen lernen, mit einem schrägen Flachmeißel umzugehen und 40 Stunden Nuten und Rundstäbe in etwa 250 mm langem Langholz üben. Nach einem Durchgang nimmst du einen schmaleren Durchmesser für die nächste Runde. Und dann noch einen dünneren, bis das Langholz bricht. Nach zwei oder drei Versuchen wirst du in der Lage sein, ein Langholz zu drechseln, das etwa 10 mm Durchmesser hat. Dann drechsle Kreisel mit 40 mm Durchmesser mit einer Langholzröhre und einem schrägen Flachmeißel.

Und umgekehrt, was würdest du erfahrenen Drechslern raten? Gibt es aus deiner Sicht  etwas, was sie üblicherweise noch falsch machen?

Nun das ist eine Frage, die etwas gefährlich für mich zu beantworten ist. Die meisten europäischen Spitzendrechsler, die ich gesehen habe, sind ausgezeichnet in der Arbeit mit den Werkzeugen. Die besten Drechsler machen einen anderen Klang, weil sie das Werkzeug nicht in das Holz drücken. Ich habe letztes Jahr viele der "Spitzendrechsler" sowohl in Amerika als auch in Großbritannien gesehen und es kam mir so vor, als ob sie unnötigerweise aggressiv mit den Werkzeugen wären, vielleicht wollten sie sich etwas aufspielen. Während andere zaghaft und nervös wirkten. Die Letztgenannten waren Hobbydrechsler, die ihre Objekte nicht verkaufen müssen, um ihre Rechnungen zu bezahlen und das Brot auf den Tisch zu bekommen.

Du hast von einer Pause und einem teilweisen Rückzug gesprochen. Gibt es dennoch Gelegenheit, dich in Europa zu sehen?

Ich werde auf der norwegischen Woodturning Cruise  www.woodturningcruise.com im nächsten Jahr sein. Also wenn meine deutschen Leser praktische Ratschläge an der Drechselbank von mir oder den anderen großartigen Drechslern, die dort sein werden, haben wollen, ist das wohl eine einmalige Gelegenheit. Ich wüsste sonst keine andere Möglichkeit, wo man einige der besten Drechsler der Welt an einem Ort hat und ganz praxisorientierten Unterricht von ihnen bekommen kann.

Richard, herzlichen Dank, das du dir Zeit genommen hast, die Fragen zu beantworten.

 

 

 

Interview und Übersetzung: Dirk Hennies

Die erwähnte Galerie, über die Richard Raffan seine "Reste" verkauft, ist die Tilba Woodturning Gallery in New South Wales: http://www.tilbawoodturning.com.au, nur falls Sie mal in der Nähe sind. Raffan weist übrigens darauf hin, dass keine der Schalen, die man auf den Internetseiten sieht, von ihm stamme.

Das Buch:

Richard Raffan,  Drechseln– Maschinen, Werkzeuge, Techniken kann im Online-Shop portofrei bestellt werden. Dort finden Sie auch eine Blick-ins Buch-Funktion, damit Sie sich einen Eindruck verschaffen können.

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